Freunde? Fehlanzeige! – Wie mich die Einsamkeit in Portugal fast zerbrochen hätte
Freunde. Weg. Alles neu. Kein Halt. Kein Hallo.
Als die Sonne über Lissabon aufging, war ich allein. Nicht im übertragenen Sinn – wirklich allein. Keine Freunde, keine Familie, kein Hund, nicht mal ein Nachbar, der mir zunickte. Ich war 34, frisch getrennt, mit zwei Koffern, einer Airbnb-Adresse und dem verzweifelten Plan, „neu anzufangen“. Was ich nicht wusste: Integration ist kein Instagram-Post. Es ist ein Kampf.
Sprache als Mauer, nicht als Brücke
Die ersten Tage: Google Translate. Die ersten Wochen: peinliches Schweigen. Ich hatte Portugiesischkurse gebucht, online, abends. Aber wie soll man sich integrieren, wenn man im Supermarkt nicht mal weiß, wie man fragt, ob die Milch laktosefrei ist? Ich lächelte viel. Ich nickte höflich. Und ich fühlte mich wie ein Geist.
Die Sprache war keine Tür – sie war eine Wand. Und mit jeder Woche, die verging, wurde sie höher. Ich fing an, Cafés zu meiden. Ich ging nur noch spät abends einkaufen. Einsamkeit war kein Gefühl mehr. Es war ein Zustand. Mein neuer Alltag.
Community? Welche Community?!
Ich hatte mir das anders vorgestellt. Auf Instagram sah das alles so leicht aus: lachende Menschen auf Strandpartys, internationale Dinner-Abende, Coworking-Spaces voller Freunde. Die Realität? Ich in meiner Wohnung, heulend bei „How I Met Your Mother“, weil selbst fiktive Freundschaften besser waren als meine Realität.
Ich meldete mich bei Expat-Gruppen an. Ich ging zu Meet-Ups. Und ich ging wieder. Weil niemand hinsah, niemand fragte, niemand blieb. Ich war eine von vielen – und trotzdem allein. Community? Ein Mythos, wenn man nicht die Sprache spricht, keinen Job hat, kein Hobby teilt.
Integration, Community, Freunde, Einsamkeit – der Moment, in dem alles zusammenbricht
Es war ein Dienstag, 38 Grad, mein Ventilator schmolz gefühlt mit mir mit. Ich saß auf dem Boden, mitten in meiner Einzimmerwohnung, neben einer Tasse kaltem Kaffee, und fragte mich: „Warum wollte ich das alles eigentlich?“ Ich hatte gekündigt, meine Wohnung in Berlin aufgegeben, alles auf eine Karte gesetzt. Und jetzt? Keine Freunde. Keine Community. Nur Einsamkeit.
Ich stand kurz davor, zurückzufliegen. Aufzugeben. Portugal war schön – aber Schönheit ersetzt keinen Menschen, der fragt, wie dein Tag war.
Die Wendung: Ein Hobby, das mein Leben rettete
Dann kam João. 56, Rentner, Surflehrer. Ich hatte eine kostenlose Probestunde gebucht, weil ich dachte: „Was soll’s, dann hab ich wenigstens mal wieder mit jemandem geredet.“ Ich stand wie ein nasser Sack auf dem Board, aber João lachte. Und dann redeten wir. Über Wellen. Über Berlin. Über seine Tochter in Hamburg.
Er sagte: „Du kommst jeden Donnerstag. Ob du willst oder nicht.“ Ich kam. Und mit mir: andere. Ein Franzose. Eine Brasilianerin. Eine Polin, die Deutsch sprach. Wir lachten. Wir fielen ins Wasser. Wir tranken Bier. Und plötzlich war sie da – eine Community. Keine große. Aber ehrlich. Echt. Laut. Lebensrettend.
Sprache, Hobby, Herzblut – die drei Schlüssel zur echten Integration
Was ich gelernt habe? Integration beginnt nicht mit einer App oder einem Sprachkurs. Sie beginnt mit einem Hobby, mit echtem Interesse, mit dem Mut, sich lächerlich zu machen. Ich habe Portugiesisch nicht im Kurs gelernt – sondern beim Fluchen auf dem Surfbrett. Ich habe Freunde nicht auf Facebook gefunden – sondern beim gemeinsamen Bier nach einem verdammten Regentag am Strand.
Die Sprache kam. Die Freunde blieben. Und die Einsamkeit? Die ist noch da. Ab und zu. Aber sie hat Konkurrenz bekommen – von Hoffnung.
Was du unterschätzt, wenn du auswandern willst:
– Wie laut Stille sein kann, wenn dich niemand kennt
– Wie sehr Sprache deine Identität formt – oder wegnimmt
– Wie schwer es ist, neu zu sein, wenn du nicht mehr 22 bist
– Wie tief Einsamkeit sich anfühlt, wenn sie Alltag wird
Aber auch:
– Wie ein einziges Hobby alles verändern kann
– Wie wichtig echte Begegnungen sind, nicht Likes
– Wie du plötzlich Freunde findest, wenn du aufhörst, sie zu suchen und anfängst, dich zu zeigen
Fazit:
Du willst auswandern? Tu es. Aber tu es nicht blind. Nimm nicht nur Koffer mit – nimm Mut mit. Und ein Hobby. Und ein Herz, das bereit ist, zu brechen. Denn nur dann kann es auch wieder heilen.
Und wer weiß? Vielleicht wartet deine João auch schon – direkt hinter der nächsten Welle.