Wandern, weinen, weiterziehen: Wie eine geplante Auszeit in Spanien fast unsere Ehe zerstört hätte
„Wir wollten nur raus. Raus aus dem Alltag, raus aus der Enge, rein ins Leben. Und dann standen wir plötzlich vor dem Nichts.“
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Lebensstil-Auszeit oder Lebenskrise? Als unsere Planung zum Albtraum wurde
Spanien. Sonne, Siesta, Sangria. Für viele klingt es nach dem ultimativen Freiheitsgefühl – für uns war es der Anfang vom emotionalen Kollaps. Wir hatten alles minutiös vorbereitet: Sabbatjahr beantragt, Wohnung untervermietet, Rucksäcke gepackt. Der Plan? Eine sechsmonatige Auszeit, Wandern entlang des Jakobswegs, mentale Klarheit finden, unseren Lebensstil überdenken. Doch was sich wie ein Traum anhörte, wurde zur Zerreißprobe.
Schon die ersten Tage waren ein Schock. Keine sanften Sonnenuntergänge, keine romantischen Abende. Stattdessen: Blasen an den Füßen, Sprachbarrieren, und Diskussionen, die eskalierten. „Du hörst mir nie zu!“ – „Warum hast du nie einen Plan B?“ – Worte, die wir uns nie zugetraut hätten. Unsere Beziehung, die zehn Jahre durchgehalten hatte, begann zu bröckeln – mitten auf einem staubigen Feldweg irgendwo zwischen Pamplona und dem Nichts.
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Mentaler Kollaps unter spanischer Sonne: Wir hatten alles – außer uns selbst
Was niemand einem vorher sagt: Eine Auszeit ist kein Urlaub. Sie ist ein Spiegel. Und Spanien hat uns nicht nur die Sonne ins Gesicht gebrannt, sondern auch unsere tiefsten Unsicherheiten.
Wir dachten, wir könnten einfach loslaufen und dabei Antworten finden. Aber was, wenn du unterwegs merkst, dass du die falschen Fragen stellst? Ich wollte Freiheit, mein Partner wollte Struktur. Ich suchte Stille, er suchte Gespräche. Der Jakobsweg wurde zur Bühne unseres unausgesprochenen Konflikts.
„Warum machen wir das überhaupt?“, fragte ich nach einem besonders schmerzhaften Aufstieg. Die Antwort: Schweigen. Und in diesem Schweigen lag alles, was wir verdrängt hatten.
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Wandern bis zum Zusammenbruch: Was du bei der Planung niemals unterschätzen darfst
Wir hatten Karten, Apps, GPS – doch keine Ahnung, wie sehr uns diese Reise mental fordern würde. Wandern klingt romantisch, befreiend sogar – aber wenn du jeden Tag 25 Kilometer läufst, mit einem 15-Kilo-Rucksack und keiner Ahnung, wo du abends schläfst, dann zählt nur noch eins: Durchhalten.
Und genau da scheitern so viele. Nicht an der Strecke, sondern an sich selbst. An Erwartungen. An der Illusion, dass eine neue Umgebung alte Muster heilt.
Eine Frau, die wir unterwegs trafen – allein, Mitte 50, frisch geschieden – sagte uns: „Ich dachte, ich finde mich hier. Stattdessen finde ich jeden Tag neue Gründe, warum ich mich verloren habe.“
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Spanien war kein Neuanfang – es war eine Abrechnung mit allem, was wir nicht sehen wollten
Die Wahrheit ist brutal: Eine Auszeit konfrontiert dich. Mit deinem Partner. Mit dir selbst. Und manchmal ist das zu viel.
Nach drei Wochen waren wir kurz davor, abzubrechen. Ich wollte heim. Mein Partner wollte allein weiterlaufen. Wir weinten. Schrien. Verloren uns. Fanden uns wieder. Und dann, an einem regnerischen Morgen in León, trafen wir eine Entscheidung: Weitergehen. Aber getrennt.
Er nahm den südlichen Weg, ich blieb auf der Hauptroute. Und plötzlich war da Stille. Angst. Aber auch Klarheit.
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Lektion auf dem Jakobsweg: Du kannst deinen Lebensstil ändern – aber nimm dich selbst mit
Die letzten Wochen war ich allein. Kein Gesprächspartner, nur meine Gedanken und die Landschaft. Und Stück für Stück verstand ich: Eine Auszeit heilt nichts, wenn du nicht bereit bist, ehrlich hinzusehen.
Spanien hat uns nicht gerettet. Aber es hat uns gezeigt, was wir ändern müssen. Nicht das Land. Uns. Unseren Umgang. Unsere Erwartungen.
Heute, zurück in Deutschland, leben wir getrennt – aber bewusster. Ich habe meinen Job gekündigt. Er arbeitet remote und reist weiter. Wir schreiben uns manchmal. Ohne Vorwürfe. Nur Ehrlichkeit.
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Fazit: Du willst weg? Dann frag dich zuerst, wovor
Die größte Lüge bei einer Auszeit ist, dass alles einfacher wird. Wird es nicht. Es wird härter. Echter. Und genau das ist ihr Wert.
Wenn du gehst, geh nicht, um zu fliehen. Geh, um zu finden. Aber sei bereit, dass du vielleicht nicht das findest, was du suchst – sondern das, was du verdrängt hast.
Willst du wirklich deinen Lebensstil ändern? Dann plane nicht nur die Route. Plane dein Warum. Und sei bereit, dich selbst auf diesem Weg zu verlieren – und vielleicht ganz neu zu finden.