Steuern oder Überleben? Wie ein Grafikdesigner in Georgien alles verlor – und noch mehr fand
„Ich wollte nur meine Ruhe, mein Laptop und ein bisschen Sonne. Was ich bekam? Eine neue Identität.“
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Selbstständigkeit am Limit: Als die Steuern in Deutschland ihn in die Knie zwangen, schmiss Lars alles hin – und flog nach Georgien
Lars, 34, Grafikdesigner aus Köln, sitzt in einem kleinen Café in Tiflis. In Jogginghose, mit einem georgischen Käsetoast in der Hand, sieht er aus wie der klassische digitale Nomade. Aber was man nicht sieht: Er steht kurz davor, seine dritte Firma innerhalb von vier Jahren zu schließen. Warum? Weil er endlich verstanden hat, was es bedeutet, selbstständig zu sein – außerhalb der Komfortzone Deutschland.
Vor drei Jahren war Lars am Ende. 7.000 Euro Steuernachzahlung. Ein Steuerberater, der ihn hängen ließ. Eine Freundin, die ging, als er sagte: „Ich zieh weg. Irgendwohin, wo sie mich in Ruhe lassen.“ Und dann kam das Wort, das sein Leben veränderte: Georgien.
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Georgien, Visum, Steuern, Selbstständigkeit, Lebenshaltung, Kultur: Die bittere Wahrheit hinter dem Traum vom Steuerparadies
„Alle sagten, Georgien ist der Geheimtipp“, erzählt Lars. „Nur 1% Steuern für Selbstständige. Keine Bürokratie. Ein Visum? Brauchst du nicht mal, kannst einfach einreisen!“ Und es stimmt: Wer weniger als rund 155.000 Euro im Jahr verdient, zahlt in Georgien als „Individual Entrepreneur“ gerade mal einen Prozentpunkt an Steuern. Ein Steuerparadies – zumindest auf dem Papier.
Doch die Realität ist härter als jeder Werbe-Post auf Instagram.
Was keiner sagt: Die Sprache ist eine Hürde, die Kultur ein Schock, und das Vertrauen der Behörden? Muss man sich jeden Tag neu verdienen. Lars wurde gleich in seiner ersten Woche Opfer eines Bankbetrugs. 3.200 Euro – weg. Das Konto gesperrt, kein Ansprechpartner, nur ein Zettel auf Georgisch.
„Ich hab stundenlang in der Bank gesessen und geheult“, sagt er. „Ich dachte, ich bin gekommen, um frei zu sein – und wurde direkt wieder geknebelt.“
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Leben für unter 800 Euro im Monat – aber zu welchem Preis?
Ja, die Lebenshaltungskosten sind niedrig. Miete? 300 Euro. Essen? 5 Euro am Tag reichen locker. Aber was auf Social Media nach Paradies klingt, ist oft eine Illusion.
„Ich hatte monatelang kein warmes Wasser. Mein Vermieter meinte nur: ‚Ist doch Sommer.‘ Die Menschen hier haben andere Prioritäten. Freundlich, ja – aber auch hart. Wenn du fällst, schaut keiner zurück.“
Lars lernte schnell: Wer in Georgien leben will, muss sich anpassen. Wer arbeiten will, muss liefern. Internet fällt aus? Kein Mitleid. Stromausfall? Kein Backup. Kunden aus Deutschland interessiert das nicht.
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Culture Clash und Einsamkeit: Warum viele Rückkehrer nie darüber reden
Einer der härtesten Momente für Lars war nicht der Betrug, nicht die kalte Dusche – sondern Weihnachten. Alleine. Kein Glühwein, keine Familie, kein Schnee. Nur ein Videoanruf mit seiner Mutter, die sagte: „Du siehst müde aus.“
„Ich hab gelacht. Dann geweint. Dann wieder gelacht. Ich wusste nicht mal mehr, warum ich das alles tat.“
Und genau hier scheitern viele: Sie unterschätzen, wie sehr die eigene Kultur fehlt. Wie sehr Gemeinschaft, Struktur, sogar deutsche Bürokratie, einem Halt geben kann.
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Aber dann kam Giorgi – und alles drehte sich
Giorgi ist 26, Webentwickler, spricht fließend Englisch und hat Lars gezeigt, wie man in Georgien wirklich lebt. „Er nahm mich mit zu seiner Familie, zeigte mir, wie man mit Behörden redet, wie man Preise verhandelt, wie man sich durchbeißt.“
Mit seiner Hilfe baute Lars eine neue Agentur auf – direkt in Tiflis. Heute hat er drei georgische Mitarbeiter, ein kleines Büro über einem Friseursalon, und Kunden aus ganz Europa.
Aber der Weg dahin? War alles andere als leicht.
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Fazit: Georgien ist kein Fluchtort – sondern ein Prüfstein
Wer nach Georgien geht, um zu fliehen, wird scheitern. Wer geht, um zu wachsen, wird kämpfen – aber vielleicht gewinnen.
„Ich bin nicht mehr der Lars aus Köln“, sagt er. „Ich bin ein anderer Mensch. Härter, ehrlicher, wacher. Und ja – ich zahle nur 1% Steuern. Aber ich hab auch 100% Verantwortung.“
Georgien verändert dich. Aber nicht so, wie du denkst.