- Zwischen Wellen, Wahnsinn und Wahrscheinlichkeiten: Selbstständigkeit, Sport, Tourismus, Finanzen, Recht, Lebensstil – ein Pulverfass
- Das erste Jahr: Ein Kampf gegen Wind, Wellen – und das Finanzamt
- Sportlicher Traum trifft touristische Realität
- Recht und Risiko: Wer auswandert, muss bluten können
- Lebensstil oder Lebenslüge?
- Plötzliche Wendung: Hilfe von unerwarteter Seite
- Das Learning: Freiheit kostet mehr als Geld
Selbstständigkeit im Ausland: Wenn der Traum vom Surfcamp zum Albtraum wird„Wir wollten frei sein. Stattdessen standen wir nach sechs Monaten vor dem Nichts.“
– so beginnt die Geschichte von Jule (31) und Max (34) aus Köln. Sie kündigten alles. Wohnung, Jobs, Versicherungen. Nur ein Traum blieb: ein eigenes Surfcamp an der portugiesischen Atlantikküste. Sonne, Wellen, Freiheit. Doch was RTL2-Zuschauerinnen nach Feierabend fasziniert, ist für viele Auswanderer knallharte Realität.
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Zwischen Wellen, Wahnsinn und Wahrscheinlichkeiten: Selbstständigkeit, Sport, Tourismus, Finanzen, Recht, Lebensstil – ein Pulverfass
Die Vorstellung klingt verlockend: Morgens mit dem Board ins Meer, nachmittags Gäste begrüßen, abends Barbecue am Lagerfeuer. „Wir wollten raus aus dem Hamsterrad“, erzählt Max. Er, gelernter Fitnesscoach. Sie, Hotelfachfrau mit Yoga-Ausbildung. „Wir hatten das Know-how. Was sollte schon schiefgehen?“
Die Antwort: Alles.
Denn Selbstständigkeit im Ausland heißt nicht Sommer, Sonne, Selbstverwirklichung – sondern Bürokratie, Behörden, Bankkonten. „Unser Businessplan? Wurde von der portugiesischen Gemeinde als ’nicht realistisch‘ abgelehnt. Drei Monate verloren – und das, bevor wir überhaupt Gäste hatten.“
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Das erste Jahr: Ein Kampf gegen Wind, Wellen – und das Finanzamt
Sie unterschätzten alles: die Nebensaison (Oktober bis März = null Buchungen), die Sprachbarriere, die Steuergesetze. „Wir dachten, ein bisschen Englisch reicht. Aber ohne Portugiesisch bist du hier blind.“
Die Rechnungen stapeln sich, die Gäste bleiben aus. Statt Yoga am Strand: Excel-Tabellen, Mahnungen, Existenzangst. „Am Ende des Monats wussten wir oft nicht, wie wir Brot kaufen sollen – geschweige denn die Versicherung zahlen.“
Und dann bricht auch noch das Dach im Haupthaus nach einem Sturm ein. Die Versicherung? Greift nicht. „Wir hatten die falsche Police. Kleingedrucktes. Ein Fehler, der uns 8.000 Euro gekostet hat.“
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Sportlicher Traum trifft touristische Realität
Was als sportliches Lifestyle-Projekt begann, wurde zur nervlichen Zerreißprobe. „Wir wollten Menschen motivieren, sich selbst zu finden – dabei haben wir uns selbst verloren.“
Die Gäste? Anspruchsvoll. Die Konkurrenz? Brutal. „In der Hochsaison reißen sich alle um dieselben 100 Touristen. Wenn dein Camp nicht top bewertet ist, bist du raus.“
TripAdvisor, Google Reviews, Instagram – es zählt nicht mehr, wie gut dein Surfunterricht ist, sondern wie gut dein Feed aussieht. „Wir mussten einen Social-Media-Coach buchen. 1.200 Euro. Geld, das wir eigentlich für Essen gebraucht hätten.“
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Recht und Risiko: Wer auswandert, muss bluten können
„Wir hätten niemals gedacht, wie kompliziert es ist, legal zu arbeiten.“
Arbeitserlaubnis, Aufenthaltsgenehmigung, Gewerbeanmeldung – alles ein Dschungel. Ein Fehler bei der Anmeldung, und das Camp galt plötzlich als nicht genehmigt. Rückwirkende Strafen in Höhe von 3.500 Euro. „Wir waren verzweifelt. Ohne Anwalt hätten wir aufgeben müssen.“
Viele unterschätzen die rechtlichen Fallstricke. „Du brauchst einen Steuerberater, einen Anwalt, einen Dolmetscher – und das alles, bevor du überhaupt deinen ersten Euro verdienst.“
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Lebensstil oder Lebenslüge?
Jule hat Tränen in den Augen, als sie das erzählt. „Ich dachte, ich finde mich selbst. Stattdessen habe ich mich verloren. Zwischen Buchhaltung und Bankgesprächen.“
Der Traum vom freien Leben wird zur mentalen Belastung. „Du wachst auf mit Angst. Du schläfst ein mit Angst. Alles hängt nur noch von dir ab. Keine Hilfe, keine Sicherheit. Nur du und dein Konto im Minus.“
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Plötzliche Wendung: Hilfe von unerwarteter Seite
Als alles verloren scheint, kommt Hilfe von einem ehemaligen Gast. „Er war Unternehmensberater – und hat gesehen, wie viel Potenzial wir eigentlich haben.“
Er hilft ihnen, das Camp umzustrukturieren: weniger Betten, höhere Preise, Fokus auf Individualreisen statt Massenbetrieb. „Er hat uns gezeigt, dass wir nicht alles selbst machen müssen.“
Und plötzlich: Buchungen. Kooperationen. Ein TV-Feature. Zwei Jahre nach dem Absturz – die Wende.
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Das Learning: Freiheit kostet mehr als Geld
Heute läuft das Camp – aber anders als geplant. „Wir haben gelernt: Selbstständigkeit ist kein Lifestyle. Es ist ein Kampf. Aber einer, der sich lohnt, wenn du bereit bist, alles zu geben.“
Jule und Max sind geblieben. Aber sie sind nicht mehr dieselben Menschen. „Der Traum hat uns fast zerstört. Aber er hat uns auch stärker gemacht.“*
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Fazit:
Wer auswandert, um selbstständig zu werden, braucht mehr als Mut. Er braucht einen Plan B, einen juristischen Beistand und die Fähigkeit, 16-Stunden-Tage zu überstehen – mit einem Lächeln. Denn der Atlantik ist wunderschön – aber gnadenlos, wenn du nicht schwimmen kannst.